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Prof. Andrej Zubow: Donezk und Luhansk sind für Putin eine sehr schwere Last…

Die Zeit arbeitet zweifelsohne für die Ukraine als einheitlichen ungeteilten Staat, meint Andrej Zubow, Doktor für Geschichte und Professor am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO).

Die Armee der Russischen Föderation soll auf Befehl von Putin von der Grenze abgezogen sein. Gerade deshalb meinte Boris Nemzow, dass das Projekt „Noworossija“ (Neurussland) begraben wurde. Können Sie diesen Standpunkt teilen?

Das erste Projekt von Putin war die vollständige Destabilisierung der Ukraine, um sie in den Einflussbereich der ehemaligen GUS zurückzubringen. Das funktionierte nicht. Das zweite Projekt war die Spaltung der Ukraine in zwei Teile: In einen Teil, Noworossija, der loyal zu Russland steht, und einen Teil, der durch wirtschaftliche Probleme zugrunde geht. Das funktionierte auch nicht. Und bereits im Mai gab es die Aktionen in Odesa und Charkiw. Und das dritte Projekt ist der Versuch, im Südosten der Ukraine eine Enklave wie Transnistrien zu schaffen. Im Grunde genommen funktionierte das auch nicht, weil sich das Gebiet von Donezk und Luhansk als sehr kleines Stück erwies, das wirtschaftlich insolvent ist und große Investitionen erfordert, da dort alles zerstört ist – wirtschaftlich kaputt mit vielen Einwohnern.

Aber das war doch seit langem klar…

Mir scheint, dass das Projekt „Noworossija“ als solches bereits im Juni aufgegeben wurde. Nach dem Wahlerfolg von Poroschenko wurde klar, dass sich die Bevölkerung in diesem sogenannten russischsprachigen Teil der Ukraine trotzdem zur Ukraine und nicht zu Russland gehörend fühlt. In diesem Sinn wird dieses Projekt seit langem nicht mehr umgesetzt. So wurde heute auch das dritte Projekt begraben. Eigentlich steht Putin vor einem sehr schwierigen Problem, weil er weder Donezk, noch Luhansk braucht. Im Gegenteil, unter der Bedingungen einer Rezession, in die die russische Wirtschaft aufgrund der vielen Sanktionen und dem Preisverfall beim Erdöl schlittert, ist es eine sehr schwere Last. Und die Krim ist eine sehr schwere Last, aber Donezk und Luhansk sind zusammen noch weitaus schwerer. So muss man sie irgendwie loswerden. In Russland ist niemand bereit, sie aufzunehmen. Das ist unmöglich. Gerade ist das Hauptziel von Putin, die Sanktionen gegen Russland los zu werden. Oder zumindest, sie abzuschwächen. Aber dafür muss mindestens das Abkommen von Minsk erfüllt werden. Und das ist auch nur der erste Schritt. Man muss noch weiter gehen.

Aber wird diese Entscheidung nicht unter den russischen Ultranationalisten, die für den Wiederaufbau des russischen Imperiums stehen, Proteste hervorrufen? In wie weit ist das für Putin und die gesamte Macht im Kreml gefährlich?

Was passiert, wenn ein Großteil der russischen Bevölkerung von diesem nationalistischen Appell elektrisiert ist? Wenn Putin heute, wie Strelkow sagt, Noworossija „aufgibt“, dann wird diese Bevölkerung gegen Putin aufbegehren, weil sie nicht für Putin persönlich ist, sondern für die Idee der Wiedergeburt des Imperiums. Wenn sich Putin von dieser Idee trennt, wird sie sich von Putin abwenden. So zwang sich Putin heute in Wirklichkeit selbst in die Ecke, und, meiner Meinung nach, gibt es keine Lösung für dieses Problem, die es ihm erlaubt, seine Macht zu sichern und Russland von den Sanktionen zu befreien, sogar dann nicht, wenn Donezk und Luhansk zurückgegeben werden. Das, was im Februar/März gesät wurde, ging jetzt auf. Russland befindet sich insgesamt in einer schwierigen Wirtschaftslage, und das Kremlregime befindet sich in einer sehr schwierigen politischen Situation. Er kann praktisch nicht so weiter machen wie bisher.

Trotzdem muss man sagen, das selbst die Bevölkerungsmehrheit der „DVR“ und „LVR“ den pro-russischen Kurs unterstützen. Wie kann man diese Situation ändern?

Die Bevölkerung der „DVR“ und „LVR“ unterstützt den pro-russischen Kurs, weil sie von den ukrainischen Massenmedien abgeschnitten und von der Moskauer und lokalen „DVR-Propaganda“ indoktriniert sind. Wenn sie die Welt umfassender gesehen hätten, wäre die Situation eine andere. Nicht, dass alle für die Ukraine wären, aber wenigstens gäbe es mehr pro-ukrainische Leute. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass die „DVR“ und „LVR“ nicht nach Russland wollen. Wie auch bereits auf der Krim, wollen sie in die Sowjetunion zurück. Aber es gibt trotzdem keine Sowjetunion, und deshalb kommen sie überhaupt nicht dorthin, wohin sie wollten.

Wird der Ukraine eine neue Berliner, oder, wie ich sie nennen würde, Donbas-Mauer helfen?

Was die Grenze betrifft, muss man diese neue Linie einfach deshalb herrichten, damit es kein weiteres Eindringen separatistischer Kräfte in andere Bezirke im Südosten gibt. Das heißt, es geht weniger um die Grenze, sondern vielmehr um eine militärische Verteidigungslinie. Meiner Meinung nach sagte Präsident Poroschenko vor ein paar Tagen deutlich, dass niemand bereit ist, auch nur einen Kilometer ukrainisches Gebiet abzugeben – weder auf der Krim, noch im Südosten. Die Zeit arbeitet zweifelsohne für die Ukraine als einheitlichen ungeteilten Staat. Die Zeit arbeitet gerade nicht für diese Enklave, nicht für die Früchte der russischen Aggression und nicht für das Regime von Putin. Deshalb braucht man gerade Geduld, Mut, Standhaftigkeit und eine vernünftige Diplomatie. Aber wer nichts abgibt, hätte dann auch nichts zu verlieren. Ich hörte von einigen ukrainischen Kollegen: „Lassen wir doch die Krim und den Donbas ziehen. Hauptsache ist, dass sich die Restukraine Richtung Europa entwickelt. Sollen sie doch sitzen, wo sie wollen.“ Das ist eine falsche Position. Wir müssen handeln, und dann bin ich davon überzeugt, dass die Ukraine eine sehr aussichtsreiche Zukunft haben wird.

Quelle: gordon.ua

Übersetzung: Jörg Drescher

Überarbeitung: Euromaidan Press auf Deutsch

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