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Ein neues Muftiat und Besetzungen von Moscheen als Politik des “Teile und herrsche” auf der Krim?

von Halya Coynash, Charkiwer Menschenrechtsgruppe

Die ersten Äußerungen des Leiters eines auf der Krim neu geschaffenen Muftiats und ein skandalöser Überfall auf eine Moschee geben Anlass für den Verdacht, dass damit ein Schisma (Spaltung) unter den Muslimen auf der Krim geschaffen und die Schwächung der Medschlis der Krimtataren (Volksversammlung) erreicht werden soll, die sich konsequent gegen die Besetzung der Krim durch Russland eingesetzt hat.

Die Schaffung des “Tauridischen Muftiats” wurde am 22. August nach einem Treffen von rund 100 Muslimen aus verschiedenen Teilen der Krim angekündigt. Sein vollständiger Name ist “Zentrale Geistliche Direktion für die Muslime der Krim” und steht in direkter Konkurrenz zu der “Geistlichen Direktion für die Muslime der Krim” [GDMK]. Letztere ist das größte spirituelle Verwaltungszentrum der ukrainischen Muslime, und in seinem Muftiat ist auch ein Vertreter der Medschlis des Volks der Krimtataren.

Das “Tauridische Muftiat”, dem Ruslan Saitwaliew vorsteht, wurde mit Hilfe des Leiters der Geistlichen Direktion der Muslime Russlands gebildet. Kurz darauf gab Saitwaliew einer russischen Zeitung ein Interview, in dem er behauptete, dass die Mehrheit der Moscheen auf der Krim von Anhängern des “nicht-traditionellen Islam” geführt würden, und zwar von “Wahhabiten” oder Mitgliedern der Hizb ut-Takhrir. Da Hizb ut-Takhrir eine in der Russischen Föderation verbotene Organisation ist, ist das kein gering zu achtender Vorwurf. Es ist darüber hinaus auch Unsinn.

Die GDKM hat den Großmufti von Russland schriftlich um eine Erklärung gebeten und die Sorge geäußert, dass Letzterer ein Schisma unter den Muslimen auf der Krim befördere. Sie bat um Klarstellung der Rolle des Großmufti bei der Schaffung des “Tauridischen Muftiats” und ein Dementi der besorgniserregende Berichte, falsch sie falsch sind.

Roman Silantjew, der von dem bekannten Kommentator Paul Goble als jemand, der “für seine Angriffe auf Muslime in der Russischen Föderation berüchtigt ist und dem Moskauer Patriarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche und den russischen Sicherheitsbehörden nahe steht”, beschrieben wird,  äußerte in einem Interview mit ITAR-TASS nur positive Dinge über das neue Muftiat. “Diese Organisation, die zuvor als Geistliches Zentrum der Muslime auf der Krim bekannt war, hat sich im Lauf von mehreren Monaten zu einer der wichtigsten muslimischen Kräfte der Krim entwickelt – die Gläubigen vertrauen ihr mehr und mehr, da es den Werten des traditionellen, gemäßigten Islams verbunden ist, ohne politische Slogans”.

Er fügte hinzu, dass es gute Aussichten habe, “da es von Muslimen aus anderen Regionen, insbesondere vom Grloßmufti von Russland, unterstützt wird.”

Am 24. Juni behauptete dieser gleiche Silantjew, dass “eine große Zahl der muslimischen Bildungseinrichtungen von religiösen Radikalen kontrolliert werden”. Er kommentierte die erste Durchsuchung einer Koranschule auf der Krim durch bewaffnete und maskierte FSB-Beamte,, die überraschend in die Schule platzten, als die 13 Kinder darin schliefen.

Silantjew behauptet, dass die Koranschule “eine Basis für religiöse Extremisten” sein könnte, und dass der russische FSB plane, die “radikal-islamischen Organisationen auf der Krim zu liquidieren”. Goble stellt fest, dass “Silantjew gehörte schon oft zu den ersten russischen Kommentatoren, die über Razzien der russischen Sicherheitsdienste sprachen, und insofern müssen seine Vorhersagen für das zukünftige Vorgehen auf der Krim und gegen seine Muslime, von denen die meisten Krimtataren sind, ernst genommen werden.”

Seit dieser Zeit gab es vermehrt Überfälle auf muslimische Bildungseinrichtungen und Wohnungen von Klerikern sowie auf Häuser von krimtatarischen Familien. Der FSB ist angeblich auf der Suche nach “extremistischer Literatur”, die deswegen nicht schwer zu finden ist, weil eine Liste der in Russland verbotenen Bücher weit über zweitausend Titel enthält, während die Ukraine hat keine solche Liste hatte. Es ist jedoch ganz offensichtlich, dass hier Menschen des “Extremismus” beschuldigt werden, weil sie zum Beispiel an Protestaktionen gegen das fünf Jahre gültige Verbot der Einreise in seine Heimat Krim für den weltberühmten krimtatarischen Anführer Mustafa Dschemiljew teilnahmen. Oder wie im Fall von Mustafa Osmanow, weil er EuroMaidan-Demonstranten mit warmen Mahlzeiten versorgt und eine ukrainische Flagge an seinem Auto angebracht hatte.

Im Vorfeld der Wahlen zum Krim-Parlament versucht das Besatzungsregime auf mannigfache Art, die Krimtataren zur Teilnahme an den Wahlen zu nötigen oder diejenigen einzuschüchtern, die die Medschlis unterstützen, die zu einem Wahlboykott aufgerufen hat.

Es liegt nahe, dass die Besetzung der bekannten Dschuma-Dschami-Moschee in Jewpatorija damit zusammenhängt und es sich nicht um den letzten solchen Fall religiöser Enteignungen handelte. Eine Gruppe von Muslimen aus Jewpatorija behauptet, dass der Imam der Moschee, Elmar Abdulganjew ein Treffen einberufen hat, um neue Mitglieder der Gemeinschaft zu wählen, ohne viele der Mitglieder zuvor davon zu unterrichten. Eine Abstimmung wurde in ihrer Abwesenheit durchgeführt und 12 neue Mitgliedern gewählt. Der Tresor der Gemeinde wurde auch aufgebrochen und das ganze Geld entnommen.

Es ist leider keine Überraschung, dass die neuen Mitglieder sich geweigert haben, die GDKM anzuerkennen und sich statt dessen dem neuen Tauridischen Muftiat angeschlossen haben.

In den sechs Monaten seit Russlands Invasion und der Annexion der Krim hat sich der Medschlis der Krimtataren als Vertretungsorgan der großen Mehrheit geweigert, sich unterzuordnen und die russische Herrschaft zu akzeptieren. Der Medschlis-Vorsitzende Refat Tschubarow und das Medschlis-Mitglied Ismet Yüksel stehen, wie Mustafa Dschemiljew, unter einem Einreiseverbot auf die Krim für die Dauer von fünf Jahren. Zunehmend gibt es Vorwürfe des “Extremismus” gegen die Medschlis und diejenigen, die loyal zu ihr stehen. Es ist leider wahrscheinlich, dass die Schaffung eines neuen Muftiats mit russischer Anerkennung Teil dieser gleichen Offensive ist.
Autorin: Halya Coynash

Quelle: Charkiwer Menschenrechtsgruppe
übersetzt von Euromaidan Press auf Deutsch

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