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Der deutsche Fernsehkanal ARD manipulierte die Aussagen eines Aktivisten über die Erschießungen auf dem Majdan

Quelle: MediaSapiens/Telekrytyka, 30.4.2014

Die ARD zeigte im April 2014 eine fast sensationelle Reportage über die angebliche Beteiligung der heutigen ukrainischen Regierung an der Massenerschießung auf dem Majdan. Diese Nachricht wurde von den russischen Medien sofort übernommen, um damit nachzuweisen, dass die ukrainische Regierung „lüge“. Der Zeitung „Medienkritik“ (ukr. „Telekrytyka“) ist es gelungen, einen der Hauptzeugen der Reportage ausfindig zu machen. Dieser erklärte, dass die Reportage nichts anderes sei, als eine Reihe von manipulierten und verdrehten Informationen.

Serhij Bordjuh, Majdan-Aktivist, war einer der Hauptzeugen, den das ARD-Team befragte. In seinem Brief, den er am 27. April 2014 an die ARD geschickt hat, wies er darauf hin, dass zahlreiche Informationen in der Reportage verdreht wurden. Stand 30. April erhielt er diesbezüglich keine Stellungnahme von der ARD.

„Ich möchte Ihnen hiermit mitteilen, dass die Tatsachen in der Reportage verdreht wurden und dazu führen, dass man falsche Schlussfolgerung zieht, die mit der Realität nichts zu tun haben,“ – schrieb der Aktivist im Brief. Er hat bereits gegenüber der ARD, die eine interne Untersuchung dieses Falles eingeleitet hat, mündlich ausgesagt. Es ist noch nicht bekannt, zu welchen Ergebnissen die Untersuchung kam, und ob die Ergebnisse öffentlich bekannt werden.

Bordjuh war einer der Initiatoren, die sich dafür einsetzten, Beweismaterialien über die Erschießung der Majdan-Demonstranten sicherzustellen und Ermittlungen darüber einzuleiten. Heute arbeitet er als unabhängiger Experte mit der Generalstaatsanwaltschaft an diesem Fall weiter.

Die ARD-Reportage, im Rahmen derer er das Interview dem ARD-Journalisten Stephan Stuchlik gab, wurde am 10. April in der Sendung Monitor (mit russischen Untertiteln) gezeigt. In der Reportage  wurde behauptet, dass es „viele Spuren“ gibt, die darauf hindeuten, dass die ehemalige Opposition, die nach der Flucht von Janukowytsch an die Macht kam, an der Erschließung von Demonstranten beteiligt war.

Obwohl es viele Fragen zu den offiziellen Ermittlungen gibt, beinhaltet die ARD-Reportage, nach Meinung des Majdan-Aktivisten, viele verdrehte und verzerrte Informationen, die in der vorliegenden Tabelle aufgelistet sind.

Behauptungen des ARD-Journalisten Gegenbeweise Schlussfolgerungen
1.       Einige Schüsse, die sowohl Majdan-Demonstranten als auch Milizionäre getötet haben, gingen nicht von Regierungsgebäuden, sondern vom Hotel „Ukraine“ aus. «Die Schusskanäle in Bäumen, die der Journalist als Beweise dafür anführt, dass die Schüsse auch vom Hotel „Ukraine“ gemacht wurden, zeugen mehr davon, dass die Schüsse auch aus der Gegenseite und nicht vom Hotel ausgingen (4:17-4:40). Im Interview habe ich das direkt Herrn Stuchlik gesagt“ – teilte Serhij Bordjuch mit. Die Behauptungen davon, dass die Todesschüsse vom Hotel „Ukraine“ abgegeben wurden, hat keine eindeutige Bestätigung, daher können nicht als glaubwürdig gelten. Die Tatsachen, die als Beweise  in der Reportage angeführt wurden, wurden verdreht.
2.      Zur Bestätigung der These, dass die Schüsse vom Hotel „Ukraine“ abgegeben wurden, wird das Video über die Todesschüsse auf der Institutskastr. gezeigt (3:11), das, nach Meinung des Journalisten, bestätigt, dass es in den Rücken, d.h. vom Hotel „Ukraine“ geschossen wurde. Auf dem Video ist allerdings zu sehen, dass die Schüsse von vorne und nicht von hinten abgegeben wurden, was davon zeugt, dass diese Schüsse nicht vom Hotel „Ukraine“ gemacht werden konnten. Davon zeugen auch die Schusskanäle auf dem Metallschild des Demonstranten.  Das gezeigte Video bestätigt nicht die These des ARD-Journalisten, dass es von hinten beschossen wurde.
3.       Innerhalb von 11 Minuten der Reportage wird drei Mal die Behauptung wiederholt, dass die „Zentrale der  Opposition“ das Hotel „Ukraine“ war, die das Gebäude kontrolliert hat (3:00; 4:14; 4:36; 7:03), ohne allerdings Beweise dafür anzuführen, um die Informationen zu bestätigen. Das Hotel „Ukraine“ war niemals Zentrale der Opposition. Mehr noch vom 18. bis 20. Februar war das Hotel unter der Kontrolle von Einsatzkräften. Am 20. Februar, als die Demonstranten massenhaft in der Instytuskastr. erschossen wurden, wurden im Hotel ein Hospital und eine temporäre Leichenhalle des Majda-Medizindienstes gegründet. Aber auch an diesem Tag herrschte da ein völliges Chaos und die 14 Stockwerke wurde von niemanden kontrolliert und jeder konnte das Hotel betreten oder verlassen. Die Behauptungen darüber, dass das Hotel „Ukraine“ die Zentrale der Opposition war und sogar die Kontrolle über dieses Gebäude ausgeübt hat, entsprechen gar nicht der Wirklichkeit.
4.      Herr Stuchlik behauptet, dass „eine Gruppe Radikaler professionelle Waffen“ hatte und zeigt Fotos als Beweise dafür (6:54, 7:00). Die Waffen, die auf dem Video zu sehen sind, sind  Luftdruckwaffen (mit nicht tödlichem Ausgang), die man im Internet frei kaufen kann und für die man sogar keinen Waffenschein benötigt. Die Behauptungen darüber, dass die Demonstranten über „professionelle Waffen“ verfügten, werden nicht durch die zur Verfügung gestellten Fotomaterialen bestätigt, entsprechen daher nicht der Wirklichkeit.
5.      In der Reportage ist ein Mitschnitt des Funkverkehrs von Scharfschützen zu hören, das auf folgende Weise übersetzt wurde: „Wer hat da geschossen „Unsere Leute schießen nicht auf Unbewaffnete!“( 5:57). Im Original allerdings hört man jemanden auf Russisch sagen: „Wer hat da geschossen? „Unsere Leute zielen nicht auf denjenigen auf dem Dach, er ist unbewaffnet“. Somit bezieht sich das Gespräch auf eine konkrete Person und nicht auf einen Befehl, der besagt, auf  Unbewaffnete nicht zu schießen. In der Reportage wurden die Worte von Scharfschützen verdreht, was einen falschen Eindruck erweckt, als ob die Scharfschützen auf Unbewaffnete nicht geschossen hätten.
6.      Der ARD-Journalist behauptet, dass die „grundsätzliche Beweisaufnahme“ im Fall Erschießung von Majdan-Demonstranten noch nicht völlig abgeschlossen wurde (Anfang April) (1:45). Die grundsätzliche Beweisaufnahme wurde am 28. Februar abgeschlossen. Danach erfolgte eine zusätzliche Beweisaufnahme, die immer wieder neue Befunde findet, was auch verständlich ist,  wenn man das große Territorium sowie auch die Tatsache betrachtet, dass dutzende Tausend von Menschen diesen Platz besucht haben.   Serhij Bordjuh hat dies im Interview mit Stephan Stuchlik mehrmals wiederholt. Die Behauptungen darüber, dass sogar die grundsätzliche Beweisaufnahme nicht erfolgte, entsprechen nicht der Wirklichkeit.
7.      Der ARD-Journalist bezeichnet Serhij Bordjuh  als Waffenexperten und als unabhängigen Ermittler ( 1:48) «Ich bin kein Waffenexperte. Letztes Mal als ich die Waffe in meinen Händen hatte, war 1983 als ich in der Armee war. Ich führe keine unabhängigen Ermittlungen über diesen Fall, obwohl ich einer der Initiatoren war, die sich dafür einsetzten, das Territorium zu umringen, um Beweise zu sichern. Ich arbeite mit den offiziellen Ermittlern zusammen. Während des Interviews habe ich das Herrn Stuchlik gesagt“, – teilt Serhij Bordjuh mit. Die Behauptungen, die in der ARD angeführt werden, entsprechen nicht der Wirklichkeit.
8.     In der Reportage wird das Interview mit Mykola gezeigt, der nach den Aussagen des ARD-Journalisten dieselbe Person ist, die auf dem Video in der gelben Jacke in der Instytuskastr. zu sehen ist (3:20). Die Person in der gelben Jacke ist nicht Mykola. An dem Tag, als die Schüsse abgegeben wurden, hatte er eine Jacke mit Schutzfarbe  und eine rote Kaske an. Auf dem Video ist er überhaupt nicht zu sehen. Der ARD-Journalist hat die Personen verwechselt.

 

Auf diese Weise zog der ARD-Journalist Schlussfolgerungen über die angebliche Beteiligung der ehemaligen Opposition an dem Tag aus drei Thesen, von denen zumindest zwei falsch sind und in der Reportage durch keine Informationen bestätigt werden:

1.       Einige Todesschüsse, die auf Majdan-Demonstranten und Milizionäre abgegeben wurden, wurden nicht von den Regierungsgebäuden, sondern vom Hotel „Ukraine“ gemacht.

2.      Im Hotel „Ukraine“ im Zeitraum vom 18.-20. Februar befand sich die „Zentrale der Opposition“ und die Opposition hat das Gebäude kontrolliert.

3.      Die Ermittlungen werden langsam und nicht qualitativ durchgeführt, was die Theorie bekräftigt, die besagt, dass die neue Regierung an den Verbrechen beteiligt sei.

«Unser Interview erfolgte auf Russisch. Und Herr Stuchlik kann hervorragend Russisch, daher werden Übersetzungsfehler ausgeschlossen“, – betonte Bordjuh

«Ich hoffe, dass ich in näherer Zukunft die offizielle Stellungnahme von der ARD bekomme“, – sagt Bordjuh.

Wichtig hinzuzufügen ist, dass auch der ukrainische Kameramann, der freiberuflich arbeitetund der die Reportage gedreht und die Interviews aufgenommen hat, hat der Zeitung „Medienkritik“ bestätigt, dass die Informationen in der Reportage von Stuchlik stark verzerrt wurden. Er hat auch seine Stellungnahme dazu bezogen und die ARD darüber in Kenntnis gesetzt, die eine interne Untersuchung eingeleitet hat.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Art und Weise, wie Herr Stuchlik argumentiert, auf merkwürdige Weise mit der These der russischen prostaatlichen Medien übereinstimmt, die behaupten, dass die Schüsse genau vom Hotel „Ukraine“ abgegeben wurden (Siehe die Reportage des russischen Senders „Der erste Kanal“ (rus. Pervyj kanal) (2:07))

Solche Parallelen scheinen sehr merkwürdig zu sein, insbesondere wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass die Reportage im deutschen öffentlich-rechtlichen Sender „Das Erste“ gezeigt wurde, der durch die Beiträge von Steuerzahlern finanziert wird, sofort auf breite Resonanz in Russland gestoßen ist, wo zumindest drei staatliche Sender die Reportage als angeblichen Nachweis präsentiert  haben, dass die ukrainische Regierung von deutschen Medien der Lüge überführt wurde.

Originaltext: http://osvita.mediasapiens.ua/material/30166 (Ukrainisch)
Übersetzung: Ljudmyla Melnyk

Teile des Artikels wurden am 1.5. von censor.net.ua auf Russisch wiedergegeben
Weitere Kritik an der Monitor-Sendung finden Sie im Offenen Brief von Oleksiy Obolensky vom 17.4.2014: http://maidantranslations.com/2014/04/17/ard-reportage-eine-offentlich-rechtliche-luge/

 

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